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"Общество, молодежь, политика" 2007
BESONDERHEITEN DES DEUTSCHEN WAHLSYSTEMS: ZUM SCHUTZ DER DEMOKRATIE,
AUF KOSTEN DER GLEICHHEIT?
Lektorin Robert-Bosch-Stiftung, Anne Hafenstein
„Die Abgeordneten des Deutschen Bundestages
werden in allgemeiner, unmittelbarer,
freier, gleicher und geheimer Wahl gewählt…“ Grundgesetz BRD Art. 38,
Abs.1
In dieser Aussage des Grundgesetzes (GG) der Bundesrepublik
Deutschland (BRD) verbergen sich fünf grundlegende Prinzipien des Wahlsystems.
Aufgrund einiger im deutschen Wahlsystem enthaltenden Eigenheiten, steht
insbesondere der Gleichheitsgrundsatz immer wieder im Mittelpunkt strittiger
Diskussion. Nachfolgend sollen diese Spezifika skizziert und ihre Beziehungen
zum Grundsatz der Gleichheit eruiert werden.
Generell sprechen Politik und Wissenschaft vom personalisierten Verhält-niswahlrecht
in Deutschland. Das 1949 eingeführte Wahlsystem sah zunächst nur ein Einstimmensystem
vor. Im Zuge der 1953 durchgeführten Reformen etablierte sich das Zweistimmensystem
in der BRD. Auf Grundlage der relativen Mehrheit erhalten verschiedene
Kandidaten auf Wahlkreisebene die Erststimme (Direktmandat) von den Wählern.
Die Zweistimme wurde bis 1956 auf Landesebene einer Parteiliste gegeben.
Eine neuerliche Reform des Wahlgesetzes in diesem Jahr beinhaltete die
Ausdehnung der Zweitstimme auf die Bundesebene. Die verhältnismäßige Zusammensetzung
des Bundestages wird über die Verteilung der Zweistimmen auf Bundesebene
ermittelt, somit kommt der vermeintlich „nur“ zweiten Stimme die wichtigere
Funktion zu.
Als wichtigste Grundlage für das Deutsche Wahlsystem wird der Proporz
betrachtet. Errechnet wird die Zusammensetzung des Bundestages und der
Stimm-/Mandatsverteiligung auf die Länder seit 1985 mit dem System nach
Hare-Niemeyer[1].
Insgesamt verfügt der Bundestag über 598 reguläre Sitze/Mandate[2]. Davon
entfallen 299 Mandate auf die direkt wählbaren Kandidaten der Wahlkreise,
die übrigen 299 Mandatsträger werden über die Zweitstimme ermittelt.
Wahlkreise
Die Besiedlungsdichte und –verteilung spielen im Hinblick auf den Gleich-heitsgrundsatz
des Wahlgesetzes eine signifikante Rolle. In welcher Beziehung stehen
Bevölkerungszahl und Stimmgleichheit? Paragraph 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2,3
des Bundeswahlgesetzes sieht vor, dass die Bevölkerungszahl in den Wahlkreisen
(WK) im Durchschnitt keine negative oder positive Abweichung um mehr als
33,33 Prozent aufweisen darf, andernfalls müsste eine Neuabgrenzung der
WK vorgenommen werden. Beispielsweise betrug die durchschnittliche Bevölkerungszahl
im Jahr 1998 in einem Wahlkreis 227.293 (328 WK) Einwohner. Nach der Wahlkreisreform
im Jahr 2002 stieg die durchschnittliche Bevölkerungszahl auf 251.467
(299 WK)[3].
In der laufenden 16. Wahlkreisperiode sah die Einteilung der Wahlkreise
zur Bundestagswahl wie folgt aus:\
Tabelle: Wahlkreissitze bei den Bundestagswahlen nach der Parteienzuge-hörigkeit
der Gewählten[4]
Die Varianz der Bevölkerungszahlen konkret der Anzahl der Wahlberechtigten
und später die Anzahl der tatsächlichen Wähler in den WK hat zur Folge,
dass ein Mandatssitz im Bundestag von unterschiedlichem Wert in Bezug
auf die Anzahl der abgegebenen Stimmen sein kann.
Fünfprozentklausel
Basierend auf den Erfahrungen mit zahlreichen extremen und gemäßigten
Splitterparteien, die ohne Beschränkung Zugang zum parlamentarischen System
der Weimarer Republik hatten und dort die Regierungsfähigkeit blockierten,
sollte aus Sicht der Parlamentarischen Kommission ein schützendes aber
nicht aussperrendes Instrument in der Verfassung installiert werden. Somit
wurde die Fünf-Prozent-Klausel bereits 1949 auf Landesebene eingeführt
und im Zuge der Wahlgesetzänderung 1953 auf die Bundesebene ausgedehnt.
Daraus folgte, dass Parteien nun nicht mehr auf Landesebene mehr als fünf
Prozent aller gültigen Wahlstimmen erzielen mussten, sondern auf Bundesebene.
Eine Ausnahmeregelung in diesem Bereich bezieht auf die Grundrechtsmandatsregelung.
Zunächst war hier nur die Erringung mindestens eines Wahlkreismandats
vorgesehen, um in den Bundestag einziehen zu können. Ebenfalls im Rahmen
der Wahlgeset-zänderung 1953 erfolgte die Erhöhung auf drei zu erringende
Mandate. Demnach können Parteien, die mindestens drei Direktmandate erhalten,
aber an der Fünf-Prozent-Klausel scheitern, dennoch im Bundestag Mandate
erringen. Auch hier zeigt sich ein starkes Ungleichgewicht, denn für drei
direkte Wählermandate sind im Durchschnitt nur etwa 0,6 Prozent der Wählerstimmen
des Bundesgebietes notwendig, wohingegen die Fünf-Prozent-Klausel für
sich selbst spricht.
Von Kritikern der Grundmandatsregelung wird oftmals das Argument ins Feld
geführt, dass kleinen und noch nicht im politischen Prozess etablierten
Parteien[5] häufig der Zugang zum parlamentarischen System versperrt würde.
Allerdings wiederlegten die Grünen in den 1990er Jahren diese These sowie
aktuell die Linken. Nichtsdestotrotz bemängeln die Kritiker die ihrer
Meinung nach nicht ausreichende Berücksichtigung der originären, politischen
Entscheidung der Bürger, wodurch der Gleichheitsgrundsatz aus GG Art.
38 Abs. 2 ebenfalls beschränkt würde. De Facto hat sich bis 1970 die Zahl
der „verlorenen Stimmen“, bei unter einem Prozent eingependelt.
Nicht zuletzt bestimmen Faktoren wie fehlende Parteibindung der Wähler
und somit kontinuierlicher Basiswähler, Kandidatenorientierung und politische
Streitfragen[6] eine gewichtige Rolle insbesondere für die kleinen Parteien.
Überhangmandate
Der aktuelle Bundestag besteht aus 614 Abgeordneten, dass sind 16 Mandatssitze
mehr als durch das Wahlgesetz vorgesehen. Diese Abweichung ist allerdings
legitim und kommt zu Stande indem mehr Erststimmen bzw. Direktmandate
in einem Bundesland errungen werden, als ihm Sitze im Bundestag nach den
Zweitstimmen zustehen würden.
Als so genannte Überhangmandate bezeichnet das Wahlgesetz diese Differenz
der tatsächlichen Anzahl der Abgeordneten und den ordentlichen Mandaten.
Ursächlich für diese Regelung war der Gedanke, dass alle Wählerstimmen
in diesem Fall konkret die Direktmandate geschützt werden sollen.
Generell werden folgende Gründe für die Entstehung von Überhangmandate
genannt.
Niedrige Wahlbeteiligung
Reststimmen
Stimmensplitting[7]
Eine Einschränkung existiert jedoch für Überhangmandat, diese dürfen nämlich
nicht mit Kandidaten der Landeslisten besetzt werden, sofern ein Überhangmandatsträger
aus dem Amt scheidet.
Reformansätze
Natürlich zeigen sich auch in der deutschen Öffentlichkeit auch immer
wieder Bestrebungen zur Reform des Wahlsystems, von denen einige direkt
auf diese Themen abzielen. Insbesondere in Wahlzeiten, wenn sich die Parteien
die legitime Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes sich selbst gewinnbringend
zum Einsatz bringen wollen, keimen die Diskussionen um den Reformbedarf
wieder auf. Beispielsweise schlug die PDS 1995 vor, dass die entweder
die Erhöhung der Grundmandatsträgerzahl erhöht werden sollte, oder aber
die Grundmandatsträgerschafft vollkommen abgeschafft werden solle. Hintergrund
hier die Befürchtung das auch rechtsextremen Parteien unter Umgehung der
Fünf-Prozent-Klausel der Zugang zum parlamentarischen System gelingen
sollte.
Doch insbesondere die Themen fehlende Demokratie bei der Aufstellung der
Kandidatenlisten[8], Einführung eines Wahlrechtes ab Geburt, dass durch
die Erziehungsberechtigten bis zum 18. Lebensjahr ausgeübt würde, oder
sogar die Abschaffung der Sperrklausel, wird in Anbetracht der stabilen
Situation in Deutschland gelegentlich diskutiert[9].
Grundsätzlich stellt sich die Frage nach der Gleichheit hinsichtlich der
Wahlgrundsätze in der BRD nicht, wie zahlreiche alte und auch aktuelle
des Verwaltungsgerichtes belegen. Nichtsdestotrotz muss auch in Deutschland
das Augenmerk auf alle Aspekte der Wahlgrundsätze geworfen werden.
Die steigende Zahl von Migranten, schafft eventuell neue politische Realitäten
und somit Stimmen die gehört werden sollten. An dieser Stelle müssen die
Wahlberechtigungen für EUBürger in Deutschland weiter ausgebaut werden.
Daneben spielen allerdings in auch die sinkende Wahlbeteiligung und die
Abkehr vom Politischen, die sich bei den Bürgern zunehmen manifestiert
eine wichtige Rolle für künftige Wahlen und deren Legitimation. Überalterung
und demographischer Wandel stellen zusätzliche Herausforderungen an die
Politik dar, auch und insbesondere in Bezug auf das Wahlgesetz.
Literatur:
1.Bis dahin diente das d´Hondtsche Verfahren als maßgeblich. Die Hoffnung
mit dem neuen System nach Hare-Niemeyer die Zahl der Überhangmandate
zu verringern, wurde nicht erfüllt. Dahingegen werden die Auswirkungen
auf die kleinen Parteien als positiv wahrgenommen
2.Ursprünglich verfügte der Bundestag nach der Wiedervereinigung Deutschlands
über 656 Mandate/328 Wahlkreise. Im Zuge der Föderalismusreform 2002
verringerte sich die Anzahl auf 299. Hintergrund war einerseits die bevölkerungsbedingte
Neuabgrenzung der Wahlkreise, andererseits existierten bereits seit Anfang
der 1990er Jahren Reformdiskussionen, in denen die Verkleinerung des
Bundestages thematisiert wurde
3.Bundeswahlleiter (2005): Übersicht zur Wahlkreiseinteilung. Ergebnisse
der Wahl zum 16. Deutschen Bundestag am 18.September 2005. letzter Zugriff:
22.2.2008 siehe: http://www.bundeswahlleiter.de/bundestagswahl2005/downloads/.
4.Schorn, Karina (2005): Endgültiges Ergebnis der Wahl zum 16. Dt. Bundestag
am 18.8. 2005 Statistische Bundesamt. Wiesbaden.
5.Das deutsche Parteiensystem gilt als pluralistisch. Dennoch ist der
Grad der Parteikonzentration verhältnismäßig hoch seit den 1950er Jahren.
Aktuell scheint sich ein Fünf-Parteien-System zu etablieren, dem die beiden
führenden großen Volksparteien SPD und CDU, FDP, Bündnis 90/Die Grünen
sowie Die Linke angehören.
6.Ein kurzer Abriss zum Wahlverhalten und wissenschaftlichen Erklärung-sansätzen
findet sich bei Korte/Fröhlich (2004): Politik und Regieren in Deutschland.
S. 147-163. Korte, Karl-Rudolf / Fröhlich, Manuel (2004): Politik und
Regieren in Deutschland. Strukturen, Prozesse, Entscheidungen. Verlag
F. Schöningh. Paderborn.
7.Wenngleich den Wählern häufig Politikverstimmtheit bis Verdrossenheit
vorgeworfen wird, zeigen sich Tendenzen bei der Stimmvergabe, die eher
auf eine differenzierte Einstellung der Wähler schließen lässt.
8.Die „starre“ Liste sollte durch die begrenzt offene Liste (praktiziert
in Bayern) ersetzt werden, somit könnten die Wähler die Reihenfolge der
Kandidaten der Landeslisten selbst beeinflussen.
9.Siehe dazu folglich Jesse, Eckard (2003): Reformvorschläge zur Änderung
des Wahlrechts. In: APUZ. 52/2003. S. 3-12.Bonn.